Lustiges Buch mit Hintersinn |
Ich stelle mir Jesus nicht vor. Also nicht sooo. Früher schon. Gelockter Bartträger mit wärmenden Augen. Wie Barry Gibb. Mit Körpersprache in Slow Motion, stets zum Segnen und Heilen geöffnete Handflächen. Und mit bestimmter aber sanfter Stimme, die Worte meißelnd, eherne Sätze, den Zweiflern und Provokateuren immer ein Tempo voraus, wie die Schachspieler sagen.
Die moderne Bibelwissenschaft hat akzeptiert, dass alle Schriftquellen keinen anderen Schluss zulassen als diesen: Jesus war vom Lande, der Erstgeborene eines Mädchens mit 14 oder 15 Jahren, den sein Stiefvater Josef als Sohn angenommen hatte, samt seiner blutjungen Mutter als Ehefrau, damit die kleine Schöne nicht als Hure verschrien wird, die den Knaben ledig hatte, wie man im Schwäbischen sagt. Aus dem Sumpf von Schimpf und Schande wollte er das Mädele heraushalten. Großartiger Mann! Viel mehr Buben sollten Josef heißen. Und dann kamen noch einige weitere Kinder, Jesu Geschwister, von denen meine katholische Kirche aber auch gar nichts wissen will, obwohl sie den Apostel Jakobus, zu dem man (Bin eben mal weg) auf dem Camino nach Compostela pilgert, Herrenbruder nennt.
Barry Gibb von den Bee Gees |
Das kann man überall in der Fachliteratur nachlesen. Nicht bei allen Autoren, aber bei sehr vielen. Der Konsens ist nicht vollkommen, aber angesichts der realhistorischen Kenntnisse jener Zeit naheliegend und kaum mehr aufzukündigen. Der katholischen Amtskirche sind diese Vorstellungen dennoch ein Gräuel, weil sie Jesus lieber unkörperlich als fleischlich sehen wollen. Manchmal glaube ich, dass man den Satz Und ist Fleisch geworden aus dem Credo mit spitzer Zunge ausspricht, leicht pikiert, weil man es lieber sähe, wenn die Maria vielleicht gerade mal mit stillender Brust, aber eben nicht mit empfangender oder gar gebärender Vulva vorzustellen wäre.
Dieser Realitätsverlust zeigt sich auch in der geradezu klassischen Missdeutung von Unbefleckte Empfängnis. Landläufig denken die Leute, Jesus sei unbefleckt empfangen worden, Maria also von einem unaussprechlichen Vorgang verschont geblieben gewesen. Nachthemd an, Licht aus, stumme Balgerei, keine Flecken auf dem Leintuch. Dabei meint der dogmatische Begriff, dass Maria selbst im Schoße ihrer eigenen Mutter ohne Sünde empfangen und sündenfrei geboren worden sein muss. Lauter Gedanken von spitzfindigen Männern (herrliches Wortspiel: Spitz findigen...) mit neurotischer Beziehung zu Leib und Leben. Rein und abgehoben soll der Jesus sein, nicht von dieser Welt, sondern herab gekommen zu einem Pflichtgastspiel, um die Heilspläne seines Vaters mit den Menschen durch einen Opfertod umzusetzen.
Dieser Realitätsverlust zeigt sich auch in der geradezu klassischen Missdeutung von Unbefleckte Empfängnis. Landläufig denken die Leute, Jesus sei unbefleckt empfangen worden, Maria also von einem unaussprechlichen Vorgang verschont geblieben gewesen. Nachthemd an, Licht aus, stumme Balgerei, keine Flecken auf dem Leintuch. Dabei meint der dogmatische Begriff, dass Maria selbst im Schoße ihrer eigenen Mutter ohne Sünde empfangen und sündenfrei geboren worden sein muss. Lauter Gedanken von spitzfindigen Männern (herrliches Wortspiel: Spitz findigen...) mit neurotischer Beziehung zu Leib und Leben. Rein und abgehoben soll der Jesus sein, nicht von dieser Welt, sondern herab gekommen zu einem Pflichtgastspiel, um die Heilspläne seines Vaters mit den Menschen durch einen Opfertod umzusetzen.
Das wiederum ist mir ein Gräuel. Was ist das für ein Gott, der seinen Sohn zum Menschen macht, in welcher metamorphen Gestalt er Menschen fischen, also zum Glauben führen soll, um ihn dann sadistisch abschlachten zu lassen? Was haben sich die Glaubenshüter der ersten Jahrhunderte nicht gerauft um diese Festsetzungen: Nur Mensch, nur Gott, Mensch und Gott, eines Wesens mit dem Vater? Dafür sind Ketzer ernannt und ermordet, Kriege geführt, Völker unterjocht und Konkurrenten gemeuchelt worden.
Ein Gott, der seinen Sohn auf Opfertod-Reise schickt, ist ein antiker Gott. Spiegelbild menschlicher Horrorvorstellungen, ein Monster also. Diese Vorstellungen der damaligen Welt, die mir im Gegensatz zu den Klerikalneurotikern nichts bedeuten, weil sie mein Leben und meine Empfindungen und Hoffnungen nicht erreichen, gehören ins Archiv. Außerdem, so sagte mir einmal der Leiter des Kath. Bibelwerks in Stuttgart, außerdem sei die Sündenbockmoral der mesopotamischen und kanaanitischen Kulturen mit der Legende von Abraham und seinem Sohn Isaak religionsgeschichtlich erledigt. Vater Abraham sollte ja seinen Sohn schlachten, auf Gottes Geheiß, also nach damals üblicher Praxis, um die Götter milde zu stimmen angesichts eigener Schuld. Und da fällt ihm jemand in den Arm, und statt Isaak muss ein Böcklein dran glauben. Das weist auf eine Zeit zurück, in der dem Menschen bewusst wurde, dass die Kain-und-Abel-Methode, durch Totschlagen mit Frust fertig zu werden, ausgedient hat.
Die deutsche katholische Bischofskonferenz meint, für Christen sei es unerheblich, wissen zu wollen wie Jesus zu Lebzeiten ausgesehen hat. Mich tät´s aber dennoch interessieren, weil es ohne einen lebendigen Jesus, der ausgesehen hat, gar keinen Christus nicht gibt, weder einen auferstandenen und in den Himmel gefahrenen, noch einen zur Rechten Gottes sitzenden und dereinst wiederkommenden Christus. Schließlich haben ihn ja seine engsten Freunde nach seinem Tod gesehen, wie es der Apostel Paulus den Korinthern aufzählt. Und wenn die ihn gesehen haben, dann müssen sie ihn ja wiedererkannt haben, weil er auch als Auferstandener so ausgesehen haben muss wie vorher. Sonst hätte ja jeder kommen können und sagen Ich bin es. Und Maria Magdalena hätte in jenem Baumgarten am frühen Morgen des Ostertages sagen müssen: Tut mir leid, Herr, du kannst das nicht sein. Mein Joshua sieht anders aus. War aber nicht so. Sie haben ihn alle erkannt, liest man. Mit den Augen. Thomas sogar beim Anfassen, mit den Fingern. Also muss er ausgesehen haben, ausgesehen wie vorher und nicht irgendwie geistig und auferstanden. Oder man hat sich das nur eingebildet, im Traum, im Rausch, im außer sich Sein, solche Phänomene gibt es ja immer wieder. Dann aber könnte man das Buch zuschlagen. Nein, nein, wenn Petrus und Paulus und die vielen anderen, vor allem auch diejenigen, die mit Jesus beim Essen lagen, Körper an Körper, die ihn eingeölt und massiert haben, wenn die ihn wiedererkannt haben nach seinem Tod, dann muss er ausgesehen haben. Einige haben sogar mit ihm Fische gebraten und gegessen, am galiläischen See, nach Ostern. Aber Hallo, seit wann essen Auferstandene? Oder ist das alles nur sinnbildlich zu verstehen? Dann könnte man die Bibel neben Rotkäppchen zurück ins Regal stellen. Oder?
Die englische Funkanstalt BBC hat anhand eines Schädelfundes aus dem Jerusalem zur Zeit Jesu einen Kopf restaurieren lassen, mit allen forensischen Profilertricks, die man heute so drauf hat. Heraus gekommen ist ein etwas derbes orientalisches Gesicht, mit Bart und struppeligen Haaren. Das muss nicht der Typus Jesus sein, könnte aber. Und ist wahrscheinlicher als die Barry Gibb-Variante.
Immer wenn ich in Neuffen den Gottesdienst spiele, sehe ich vorher ein Foto von Papst Benedikt, alias Joseph Ratzinger auf dem Tisch der Sakristei stehen. Es ist so ähnlich wie das hier abgebildete. Da sitzt der alte Mann in vollem Ornat auf einem Stuhl und schaut schiergar müde in die Kamera. Und dann denke ich: Das ist also momentan der Stellvertreter Jesu auf Erden, vorläufig letztes Glied der lückenlosen Kette von Päpsten, die begonnen hat mit dem Satz Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.
Ich bin überzeugt, dass mein Enkel Paule ratlos wäre, wenn ich ihm sagen würde: Schau her Bub, das ist der Mann, der den Herrn Jesus vertritt in Rom. Paule würde sicher fragen: Hat Jesus auch so ausgesehen. Und dann müsste ich ihm sagen: Man weiß das nicht genau, weil es keine Bilder von damals gibt. Aber sooo ganz sicher nicht. Jesus war ein Kerle wie du, zuerst ein frecher Junge, dann ein starker junger Mann, manchmal wütend oder lustig, braun gebrannt und nicht immer gewaschen. Er hat in keinen Palästen gewohnt, war jahrelang mit seinen Freunden unterwegs wie ein Landstreicher und hat nicht mal einen Schlafsack gehabt. Vielleicht so wie Robin Hood. Er ist nie in die Schule gegangen, konnte nicht lesen und schreiben, war aber sehr klug. Und mutig. Und was er gemacht und gesagt hat, das sollten wir uns schon merken. Das hat Hand und Fuß.
Ein Gott, der seinen Sohn auf Opfertod-Reise schickt, ist ein antiker Gott. Spiegelbild menschlicher Horrorvorstellungen, ein Monster also. Diese Vorstellungen der damaligen Welt, die mir im Gegensatz zu den Klerikalneurotikern nichts bedeuten, weil sie mein Leben und meine Empfindungen und Hoffnungen nicht erreichen, gehören ins Archiv. Außerdem, so sagte mir einmal der Leiter des Kath. Bibelwerks in Stuttgart, außerdem sei die Sündenbockmoral der mesopotamischen und kanaanitischen Kulturen mit der Legende von Abraham und seinem Sohn Isaak religionsgeschichtlich erledigt. Vater Abraham sollte ja seinen Sohn schlachten, auf Gottes Geheiß, also nach damals üblicher Praxis, um die Götter milde zu stimmen angesichts eigener Schuld. Und da fällt ihm jemand in den Arm, und statt Isaak muss ein Böcklein dran glauben. Das weist auf eine Zeit zurück, in der dem Menschen bewusst wurde, dass die Kain-und-Abel-Methode, durch Totschlagen mit Frust fertig zu werden, ausgedient hat.
Jerusalemer Mann um 60 n.Chr., rekonstruiert |
Die englische Funkanstalt BBC hat anhand eines Schädelfundes aus dem Jerusalem zur Zeit Jesu einen Kopf restaurieren lassen, mit allen forensischen Profilertricks, die man heute so drauf hat. Heraus gekommen ist ein etwas derbes orientalisches Gesicht, mit Bart und struppeligen Haaren. Das muss nicht der Typus Jesus sein, könnte aber. Und ist wahrscheinlicher als die Barry Gibb-Variante.
Immer wenn ich in Neuffen den Gottesdienst spiele, sehe ich vorher ein Foto von Papst Benedikt, alias Joseph Ratzinger auf dem Tisch der Sakristei stehen. Es ist so ähnlich wie das hier abgebildete. Da sitzt der alte Mann in vollem Ornat auf einem Stuhl und schaut schiergar müde in die Kamera. Und dann denke ich: Das ist also momentan der Stellvertreter Jesu auf Erden, vorläufig letztes Glied der lückenlosen Kette von Päpsten, die begonnen hat mit dem Satz Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.
Ich bin überzeugt, dass mein Enkel Paule ratlos wäre, wenn ich ihm sagen würde: Schau her Bub, das ist der Mann, der den Herrn Jesus vertritt in Rom. Paule würde sicher fragen: Hat Jesus auch so ausgesehen. Und dann müsste ich ihm sagen: Man weiß das nicht genau, weil es keine Bilder von damals gibt. Aber sooo ganz sicher nicht. Jesus war ein Kerle wie du, zuerst ein frecher Junge, dann ein starker junger Mann, manchmal wütend oder lustig, braun gebrannt und nicht immer gewaschen. Er hat in keinen Palästen gewohnt, war jahrelang mit seinen Freunden unterwegs wie ein Landstreicher und hat nicht mal einen Schlafsack gehabt. Vielleicht so wie Robin Hood. Er ist nie in die Schule gegangen, konnte nicht lesen und schreiben, war aber sehr klug. Und mutig. Und was er gemacht und gesagt hat, das sollten wir uns schon merken. Das hat Hand und Fuß.
Sehr feiner Text! Danke!
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