Camilla Maria Schweizer (1892 - 1962)

Camilla Maria Schweizer (1892 - 1962)
Meine verehrungswürdige Oma. Sie hat mir gegeben was mich umtreibt im Haus.

Samstag, 30. April 2011

Eben mal zum Chinesen

Nun blogged es wieder. Es blogged in den Mai. Und da soll eine frische Erinnerung einen neuen Reigen anführen, den
Reigen der seligen Gasthäuser

Sind vor Tagen wieder in Sonthofen gewesen. Bei Sonthofen denken die Menschen an Berge, Käse und Kaserne. Stimmt alles. Und noch viel mehr. Zum Beispiel die Iller, dort noch ein traumhaft schöner Fluss, zwischen Kiesbänken geschlängelt, im großzügig bemessenen Flussbett, mit Platz für Schneeschmelze und Hochwasser, eiskalt und kristallklar. Außerhalb der Stadt alle Aldis, Lidls , EdekasNettos und Outlets. Drinnen in der Stadt eine verzweigte, geschäftige Fußgängerzone mit Kaufläden und Bistros, Kneipen, Gasthäusern und Shops - und preisgünstigen Parkplätzen.
Etwas vom Angenehmsten in Sonthofen, und was man im Land der Kässpätzle sooo nicht erwartet, ist das PANDA. Nicht DER Panda, wo ein Bär ist. Sondern DAS Panda, was eine Gaststätte ist. Eine chinesische. Genauer: eine taiwanesische.
Voll ist es nie im Panda, merkwürdigerweise, dabei speist man da auf höchstem kulinarischen Niveau. In der Küche wirkt ein gesetzter chinesischer Herr, während seine charmante Frau sich um die Gäste kümmert. Sie spricht die deutsche Sprache noch so, wie ich es von einer chinesischen Gastronomin erwarte. Mit L statt R. Sie sagt Hab Sie noooch genügen Leis? Und dabei neigt sie ihr liebes Gesicht dem Gast zu und lächelt sehr liebenswürdig. Oder Diese Moocheln sääh gutt, ich selbe auch esse, sääh sääh gutt!
Nun kennt man das, wenn der Verkäufer sagt diesen Toaster benützt meine Frau zuhause auch sehr gerne, es gibt keinen besseren. Wenn der tatsächlich alles zuhause hätte, was er seiner Frau schon eingestellt haben will, brächte er die Haustür nicht mehr auf. Aber Frau Lou - so heißt sie - lügt nicht. Die Morcheln sind wirklich sehr gut. Nicht nur sehr gut sondern erlesen gut. Sie sind akkurat weich und haben dennoch köstlichen Biss (nicht gegönnt habe ich mir in diesem Urlaub seine chinesischen Pilze, wie Herr Lou in einem anderen Rezept bescheiden schreibt, dunkelbraune, champignongroße Köpfe mit fleischig-elastischem Biss, so schön im leicht muffigen Kellergewölbepilz-Geschmack, dass man auf jedem einzelnen wie auf einem Kissen träumen möchte). Sie stammen nicht aus dem Supermarkt und nicht aus der Konserve. Sie schmecken wie hinterm Mostfass frisch geerntet. Sie sind alle gleich groß geschnitten, und ihre schwarze Grundfarbe wird durch die jeweilige Gewürzsauce etwas umlackiert. Madame hatte einen orangenen Flaum über den Morcheln, zärtliche Süßsaurigkeit vom feinsten, mit deutlicher Chili-Schärfe, wie wenn ein Schmollmund beißen möchte (M7). Meine Morcheln waren indessen noch anthraziter (sagt man so?) als sie ohnehin schon sind. Eine sämige, sauscharfe Creme umschloss sie, passend zum Rindfleisch und den knackigen Bambusstreifen (M6).
Herr Lou kocht sehr schnell, alles aus dem Wok, und alles frisch. Das Fleisch hat er in wiedererkennbare, hauchdünne Scheibchen geschnitten und lange genug eingelegt, so dass es mürbe geworden ist aber den Zähnen noch etwas bietet. Gebraten ist es mit einem extrem dünnen Film von Stärke ummantelt, eine Art opaker Panade, so dass die kurzgebratenen und pfannengerührten Stücke regelrecht an den Gabelzinken zappeln. Herr Lou brät nur kurz aber auf den Punkt.

Der Reis im Panda rieselt nicht und klebt nicht pampig. Die Körner sind einzeln erkennbar, dennoch ist jeder Löffel kompakt. Keine unnötige Parfümierung. Gabel für Gabel ein serviles Vehikel der Saucen.

Genug der Hymnen! Wer nach Sonthofen kommt, geht zu Familie Lou ins PANDA, im Süden der Stadt, in der Freibadstraße. Danach wird man seine asiatischen Essgewohnheiten neu sortieren. Adieu ihr Asia-Snacks oder ihr Chinesentempel mit laufend wechselnder, von der Chinesenmafia durch Deutschland geschobenen 08/15-Besetzung mit fließendem Düsseldorfer Tonfall. Bei denen schmeckt alles gleich. Bei Herrn Lou schmeckt jedes Gericht anders, nämlich genauso, wie er es auf seiner Karte andeutet. Scharf ist scharf, Bohnensauce ist Bohnensauce, süßsauer ist süßsauer und  nichts ist überwürzt, verdeckt oder schlonzig, wie der Schwabe sagt (Schlonziges entsteht, wenn man mit zu viel und schlecht aufgelöster Maisstärke bindet; schlonzig ist ein Synonym für ekelhaft; schlonzig darf nur ein einziges Gericht sein: der schwäbische Kartoffelsalat). Und nach dem Mahle gibt es keine Migräneattacken wegen Mononatriumglutamat. Selbst der preiswerte Mittagstisch ist ein Abbild der abendlichen Küche und keineswegs reduziert in Qualität in Menge.

Übrigens läuft bei Familie Lou keine konfektionierte Chinamusik aus dem Lautsprecher. Man bekommt echte taiwanesische Schlagertitel serviert, dezent, gefühlsbetont, einschmeichelnd. Am häufigsten hört man Teresa Teng. Die zauberhafte Sängerin war ein Idol in ihrem Land, aber auch im Ausland unterwegs, sogar als Botschafterin gegen Unterdrückung in Rotchina. Sie ist leider schon gestorben, an einem Asthmaunfall während einer Tournee in Thailand.

Hier etwas zu Teresa Teng:
Laut Wikipedia war Frau Tengs populärstes Lied Tian mi mi („honigsüß, glücklich oder entzückt“, aber sinnbildlich für „enge, warme Liebesbeziehung“):

Frau Lou im Panda in Sonthofen hat mir im vergangenen August eine CD aus ihrer Teresa-Teng-Sammlung verkauft. Ich fragte, wer da singe. Frau Lou sagte Taiwan-Musik. Ich fragte weiter Wer aber ist die Frau, die da singt. Da leuchteten Frau Lous schöne Augen und sie sagte Singt da Telesa Teng, sähhh schööhne Musik, ganz schöööhn! Ob sie verkaufen wolle? Da holte Frau Lou das Album und zeigte es mir. Was sie kosten solle, die CD, die da gerade läuft? Frau Lou lachte schelmisch und sagte Was wohlen Sie geben? Da habe ich ihr 15 Euro geboten, Frau Lou holte sofort die Scheibe aus dem Player, zeigte mir auch noch die anderen beiden CD aus dem Album und witterte ein Geschäft. In Taiwan kosten die Dinger nämlich keine drei Euro.
Teresa Tengs Alben gibt´s in Amazon. Das schönste Lied auf der Platte ist Ji Duo Chou:

Es gibt so viel Schönes auf der Welt, und ich habe es in Frau Lous Augen leuchten und in Herrn Lous Wok-Gerichten schmecken dürfen. Und bald fahre ich wieder hin.