Camilla Maria Schweizer (1892 - 1962)

Camilla Maria Schweizer (1892 - 1962)
Meine verehrungswürdige Oma. Sie hat mir gegeben was mich umtreibt im Haus.

Mittwoch, 24. August 2011

Der kleine Butziwackel

Zwetschgenkuchen mit Streuseln
Unter der Überschrift Der Kleinste kriegt sie alle füllte am 24. August 2011 Viola Katemann das Sommerloch der Stuttgarter Zeitung mit vier Spalten über Pflaumen und Zwetschgen. Behilflich dabei war ihr die Obstanbäuerin Hilde Schön aus Stuttgart-Hedelfingen, die auf dem Markt verschiedene Zwetschgensorten aus eigenem Anbau feilhält. Am Ende gibt es sogar ein Standardrezept für Zwetschenkuchen - mit Hefeteig und Streuseln, also ein bayerischer Zwetschgendatschi, längst nicht so genussreich wie einer aus Mürbteig mit Mandelstiften statt der Streusel.

Die Streusel schreibt man nicht mit äu sondern mit eu, weil sie gestreut und nicht gesträut werden, aber das populärste aller  Fingerspiele, mit welchem Frau Katemann ihren Bericht über die Pflaumen und deren Stieftöchter, die Zwetschgen sinnigerweise eröffnet, schreibt man nicht mit Kleine sondern mit Butziwackel. Wenigstens nach meiner Les- und Hörart.

Fingerspiele-Sammlung
Das ist der Daumen.
Der schüttelt die Pflaumen.
Der liest sie auf.
Der trägt sie nach Haus.
Und der kleine Butziwackel -
Der isst sie alle, alle auf.

So habe ich es gelernt. Frau Katemann indes lässt enden: ...und der ganz Kleine, der isst sie alle, alle auf. Diese Version, die man auch im Internet serviert bekommt, ist in meinen Fingerspielbüchern nicht überliefert und in meiner Erinnerung gleich dreimal nicht. Sie nimmt dem Fingerspiel die abschließende Turbulenz, und die erzeugt man so:

Das Kindchen ist auf dem Schoß und fingert mit den Fingerchen. Der Opa tippt sie an, streichelt sie, biegt sie sanft, rollt sie zur Faust, kitzelt ein bisschen und unterhält damit sein Enkelkind. Schließlich kommt der Sprechvers, schön langsam, große Pause zwischen den Zeilen und nach dem Demonstrativpronomen der, das jede Zeile anführt. Der Opa greift jeden Finger, der vorgestellt wird, einzeln und zieht etwas daran (später reicht es, die Fingerkuppen anzutippen, wozu ihm das Kindlein das jeweilige Fingerchen entgegen streckt). Die längste Pause, mit erhöhter Stimme, gibt es nach dem Butziwackel - und bei der isst sie alle, alle auf schließt die große Opahand die kleinen Fingerchen und wurstelt sie sanft durcheinander, und darauf hat ja das Kindlein gewartet und jauchzt. Mit der ganz Kleine geht das nicht.

In diesem Spiel schlummert der Reiz von Geschichten, die man immer wieder hört. Sie laufen einem Höhepunkt zu, und nach einem kurzen Moment des Zögerns kommt die entspannende Lösung. Die darf nie anders ausfallen als erwartet. Man stelle sich nur mal vor, die Eva hätte zur Schlange gesagt: Nein, diesen Apfel esse ich nicht, du blöde Sau!

Nachtrag 1:

Als Kindlein war mir nicht klar, warum, man bei der zweiten Zeile zum nächsten Finger, dem Zeigefinger wechselt. Ich habe das erste der zu Beginn der zweiten Zeile als ein Relativpronomen gedeutet: Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen. Und das war mir plausibel, weil der Daumen ja der Zupackfinger ist. Erst später hat sich der Schleier gelüftet, und schon war der Sprechvers entzaubert.

Nachtrag 2:

Originalcover von
Max Butziwackel,
der Ameisenkaiser
(Amazon)
Butziwackel ist die Bezeichnung für ein Kind, das gerade laufen lernt. Das Wort fand Eingang in die Übersetzung von Ciondolino, einem Kinderbuch von Luigi Bertelli. Im Deutschen lautet der Buchtitel Max Butziwackel, der Ameisenkaiser. Es gehörte zu meinen Lieblingsbüchern, nachdem ich lesen gelernt hatte. Ich habe es vermutlich bis zu zehn Mal gelesen, und dabei die Welt der Insekten kennengelernt. Es war so spannend wie ein Krimi. Der Bub Max ist zur Ameise verwandelt worden, weil er dachte, die gehen den ganzen Tag nur spazieren, und hat es bei diesen Tierchen bis zum Kaiser gebracht, dabei mehrere Schlachten geschlagen, verloren, und haarsträubende, lebensgefährliche Begegnungen mit Wespen, Ameisenlöwen und anderen Sechsbeinern durchgestanden. Von Max habe ich mehr Standing getrunken als von Eltern und Tanten